GLS Zukunftsstiftung Entwicklung: Langfristige Zusammenarbeit und Abbau von Abhängigkeiten

07.02.2023

Die GLS Zukunftsstiftung Entwicklung setzt auf eine langfristige Zusammenarbeit mit Partner_innen im Globalen Süden, jenseits von Projektlaufzeiten. Im Vordergrund stehen dabei der Institutionsaufbau und die Eigenständigkeit der Partnerorganisationen. Wichtig ist der Stiftung zudem, dass die Arbeit der Partnerorganisationen immer auch eine unternehmerische Komponente hat – um neben sozialer und ökologischer auch wirtschaftliche Tragfähigkeit zu erreichen. Annette Massmann, Vorständin der GLS Zukunftsstiftung Entwicklung, berichtete im Interview von ihrer Arbeit mit Partnerorganisationen.

„Wir arbeiten ausschließlich bottom-up, unsere Projektpartner_innen sind stets die Akteur_innen des Geschehens, und Grundlage sind immer die vorhandenen materiellen und immateriellen Ressourcen“, erklärt Annette Massmann, Vorständin der GLS Zukunftsstiftung Entwicklung, den Ansatz. Auf dieser Basis werde gemeinsam entschieden, welche Unterstützung die Partnerorganisation zum Erreichen ihrer Ziele benötigt. Das kann ein Mikrokredit sein, Beratung und Begleitung bei der Umsetzung eines Vorhabens oder die Vernetzung mit anderen Akteur_innen im Globalen Süden.

Die GLS Zukunftsstiftung Entwicklung, die zur GLS Gruppe gehört und seit 1980 in der Entwicklungszusammenarbeit tätig ist, ist eine relativ kleine Organisation mit elf Mitarbeitenden in Deutschland. Trotzdem arbeitet sie mit 77 Partnerorganisationen in 18 Ländern zusammen – mit manchen schon seit einem Vierteljahrhundert. Massmann, selbst seit 2005 dabei, sagt: „Ich kenne alle Partner_innen persönlich.“ Am Anfang einer Zusammenarbeit stehe immer ein Besuch vor Ort und die Entwicklung einer gemeinsamen Zielperspektive.

Viele Partnerorganisationen sind soziale Unternehmen, die sich für Verbesserungen der Lebensbedingungen in ihren Gemeinschaften engagieren – zum Beispiel im Rahmen integraler Entwicklung informeller Siedlungen, durch die Stärkung des ökologischen Landbaus oder von Frauenrechten. „Um Nachhaltigkeit zu erreichen, sind langjährige Kooperationen nötig“, ist Massmann überzeugt. „Wir haben uns bewusst gegen die projektorientierte Logik klassischer Entwicklungszusammenarbeit mit festen Laufzeiten entschieden.“

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Dr. Annette Massmann - Vorständin der GLS Zukunftsstiftung Entwicklung

Die Stiftung sammelt für jedes Projekt, das sie unterstützt, Spenden in Deutschland. Auch Gelder des BMZ fließen mit ein, sie machen aber nur rund ein Sechstel des Gesamtbudgets aus. „Dafür müssen die Partnerorganisationen so weit institutionalisiert sein, dass sie über mehrere Jahre in die gleiche Richtung großräumig arbeiten können“, erläutert Massmann. Viele seien das aber nicht. „Gerade in Krisen- und Armutsregionen brauchen wir Flexibilität. Da können wir nicht immer die ruhige Planbarkeit garantieren, die das BMZ sehen will, was ich auch absolut nachvollziehen kann.“ Für die Stiftung stünden hingegen neben der Nachhaltigkeit der Arbeit Freiräume und Eigenständigkeit der Partnerorganisationen im Vordergrund. Ihre Spender_innen ermöglichten das.

Grundlage der Zusammenarbeit der GLS Zukunftsstiftung Entwicklung mit ihren Partnerorganisationen sei gegenseitiges Vertrauen kombiniert mit Wirtschaftsprüfung und Prüfung der Mittelverwendung. Vor allem aber gehe es darum, die Fähigkeiten und das Engagement der Partnerorganisationen einschätzen zu können. Dafür müsse man sich gut kennen. Die Stiftung sieht ihre Rolle vor allem darin, die Partnerorganisationen zu begleiten und Veränderung zu moderieren. Daher entsendet sie auch keine Fachkräfte oder Freiwilligen aus Deutschland, sondern vernetzt die Partnerorganisationen untereinander.

„Wir machen vor allem Süd-Süd-Austausch“, sagt Massmann, „es geht darum, die nächstbeste angepasste Lösung zu finden.“ In der Praxis bedeutet das beispielsweise, dass die Stiftung verschiedene Partnerorganisationen in Ostafrika miteinander vernetzt, die alle zum Ziel haben, Gemeingüter zu erhalten. Während die Partnerorganisationen ihre spezifischen Erfahrungen und Ansätze einbringen, organisiert die Stiftung den Kontakt zu Anwält_innen und finanziert nötige Reisen von Repräsentant_innen der Partnerorganisationen. „Prozesse werden dadurch manchmal langsamer, aber Partizipation und Ownership größer“, betont Massmann.

Warum sie die wirtschaftliche Komponente für grundlegend hält, erklärt die Vorständin am Beispiel einer Frauenorganisation in Nepal. Zunächst betrieb sie als Frauenrechtsorganisation klassische Lobbyarbeit. Dann wurde klar, dass sie ein Frauenhaus braucht, um Opfer häuslicher Gewalt in Sicherheit zu bringen. Das warf laut Massmann die Frage auf: „Wie finanziert man das, ohne dauerhaft von der Gnade eines Geldgebers abhängig zu sein?“ Die Lösung bestand in einem Produktionszentrum für Textilien, das die Frauenorganisation mit Hilfe der GLS Zukunftsstiftung Entwicklung aufbaute und dessen Erlöse ins Frauenhaus fließen. Die Stiftung habe dabei „in allen Bereichen unterstützt: ein Geschäftsmodell zu entwickeln, Equipment zu kaufen, eine Zertifizierung der Produkte für den internationalen Markt zu erhalten, den Vertrieb aufzubauen und so weiter“. In guten Zeiten konnten die Textilien 80 Prozent der laufenden Kosten des Frauenhauses finanzieren, bis 2015 das Erdbeben in Nepal drei der Produktionsstätten zerstörte und 2020 die Coronapandemie den Tourismus zum Erliegen brachte. „Darunter leidet unsere Partnerorganisation, und deshalb ist sie weiter auf unsere Unterstützung angewiesen.“

Solche Rückschläge machen für Massmann deutlich, wie wichtig eine langfristige Zusammenarbeit ist. Die ökonomische Konsolidierung und selbstständige Institutionalisierung der Partnerorganisationen seien wichtige Ziele. Deshalb sollten NRO ihrer Meinung nach auch immer einen gewerblichen Zweig haben, „damit sie zu unternehmerischen Playern in ihrem Kontext werden können“. In der staatlichen Entwicklungszusammenarbeit wünscht Massmann sich eine Debatte darüber, ob Institutionsbildung förderungsfähig sein sollte. Sie selbst hält das für sehr wichtig.

 

Erschienen in:
VENRO Report 2022 Shifting Power: Wie entwicklungspolitische und humanitäre Nichtregierungsorganisationen den Folgen von Kolonialismus in ihrer Arbeit begegen können-. Seite 21-23. 

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