Politik aktuell

24.02.2023

Seit dem vergangenen Jahr spitzt sich die innenpolitische Lage in Peru gewaltsam zu. Ausgehend von der Konfrontation zwischen der Regierung unter Staatspräsident Pedro Castillo und dem Kongress, der sich hauptsächlich aus der extremen Rechten und Interessensvertreter*innen der Bergbauunternehmen zusammensetzt, folgten anhaltende Korruptionsskandale und häufige Minister*innenwechsel, die mit Korruptionsvorwürfen einhergingen. Diese führten in den letzten Monaten des Jahres 2022 zu einer zunehmenden Schwächung der Regierung und zur Verschärfung der Krise.

Am 7. Dezember 2022 erklärte Pedro Castillo die Auflösung des Kongresses, um einem Misstrauensvotum zuvorzukommen. Dem Vorgehen widersetzte sich die Mehrheit der Kongressabgeordneten. Sie beschlossen ihrerseits die Amtsenthebung des Präsidenten. Bei dem Versuch, mit seiner Familie in die mexikanische Botschaft zu fliehen, wurde Castillo von einem Sonderkommando der Streitkräfte festgenommen. Noch am selben Tag wurde Dina Boluarte, die Vizepräsidentin im Kabinett von Pedro Castillo, als Präsidentin vereidigt.

Von diesem Moment an legten Proteste und Blockaden große Teile des Landes lahm. Insbesondere von den südlichen Regionen ausgehend, in denen Castillo vielerorts einen breiten Rückhalt in der Bevölkerung hat und wo indigene Volksgruppen unter den Auswirkungen von legalem und illegalem Bergbau leiden, kommt es immer wieder zu Straßenblockaden, Märschen und gewaltsamen Zusammenstößen mit den Sicherheitskräften von Polizei und Armee. Dabei wurden in der Stadt Juliaca am 9. Januar mindestens 17 Demonstrant*innen getötet.

Partnerstimmen der GLS Zukunftsstiftung Entwicklung berichten, dass weder auf Seiten der Polizei noch bei den Demonstrant*innen die Gewalt im Laufe des Januars nachgelassen habe. Im Zusammenhang mit den Protesten kamen seit deren Beginn im Dezember 2022 über 50 Menschen ums Leben.

Mehr als 250 Straßen wurden immer wieder blockiert und hunderte öffentliche und private Gebäude niedergebrannt und verwüstet, darunter Gebäude der Staatsanwaltschaft sowie Polizeistationen. Demonstrant*innen besetzten eine Woche lang das Gaswerk Camisea und unternahmen mehrere Versuche, Flughäfen zu besetzten. Auch mehrere Bergbauunternehmen im Süden des Landes wurden angegriffen. Es wird von mehr als 700 verletzten Zivilist*innen und über 1000 verletzten Polizist*innen berichtet. Auch Angriffe auf Journalist*innen wurden registriert.

Demonstrierende versammeln sich am 19. Januar 2023 Im Zentrum von Lima. (Bildquelle: Joseph Moreno M / Shutterstock.com)
„Wiedereinsetzung von Präsident Pedro Castillo, Schließung des Kongresses, verfassungsgebende Versammlung", lauten einige der Forderungen der Protestierenden. (Bildquelle: Joseph Moreno M / Shutterstock.com)

Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch äußert laut der Neuen Zürcher Zeitung Besorgnis über schwerwiegende Hinweise auf Verstöße gegen Menschenrechte seitens der Sicherheitskräfte. Auch zivilgesellschaftliche Organisationen in Peru bitten um die Anwesenheit des Interamerikanischen Gerichtshofs für Menschenrechte (IACHR) und des Sonderberichterstatters der Vereinten Nationen für Menschenrechte, um das wiederholt brutale Vorgehen der Streitkräfte gegen unbewaffnete Zivilisten zu dokumentieren und anzuklagen.

In fast einem Drittel des Andenstaates gilt mittlerweile der Notstand, so dass verfassungsmäßige Grundrechte außer Kraft gesetzt sind. Menschenrechtsorganisationen brechen zusammen und Menschenrechtler*innen werden direkt bedroht. Der Verkehr in Lima ist stark eingeschränkt und die Polizei und das Militär bewachen die wichtigsten Einrichtungen, wie den Flughafen Jorge Chávez und das Wasserwerk in Lima.

Die dezentralen breiten Proteste, bei denen sich bislang keine Sprecher*innen oder medial anerkannte Vertreter*innen herausgebildet haben, mit denen verhandelt oder ein Dialog geführt werden könnte, äußern insgesamt vier Forderungen:

  1. Rücktritt von Dina Boluarte
  2. Schließung des Kongresses
  3. Vorgezogene Neuwahlen
  4. Die Einberufung einer verfassungsgebenden Versammlung zur Änderung der politischen Verfassung von 1993.


Mit großer Mehrheit hatte der Kongress zuletzt für vorgezogene Neuwahlen im April 2024 gestimmt. Nachdem die Proteste jedoch anhielten, legte die Präsidentin Boluarte einen erneuten Antrag vor, die Neuwahlen noch in 2023 stattfinden zu lassen. Dieser wurde nun, Ende Januar, vom Kongress abgelehnt.

Weder die Präsidentin Boluarte noch der Kongress scheinen bereit, zurückzutreten, was ein baldiges Ende der Konflikte und Gewaltausschreitungen unwahrscheinlich macht. Menschenrechtler*innen kritisieren indes, dass die internationale Gemeinschaft, allen voran die Vereinten Staaten von Amerika sowie die Europäische Union, zum brutalen Vorgehen gegen Demonstrant*innen bislang weitestgehend schweigt.

Stand: 24.02.2023

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